Ruäch

Ein Film von
ANDREAS MÜLLER, SIMON GUY FÄSSLER, MARCEL BÄCHTIGER

 

Eingeladen von einem geheimnisvollen Freund, begibt sich ein Filmteam auf eine Reise durch ein verborgenes jenisches Europa, das sich von staubigen Vororten Savoyens bis in die Wälder Kärntens erstreckt. Erzählt von jungen und alten Stimmen, entfaltet sich ein kaleidoskopisches Panorama jenischen Lebens. Ein unsichtbares Band verbindet diese Menschen: Es sind die tiefen Wunden der Vergangenheit, aber auch ihre Liebe zur Freiheit.

News

  • Jetzt im Kino in Österreich

    Wien: Metro Kinokulturhaus, Tickets.
    Wien: TOP Kino, Tickets.
    Graz: KIZ RoyalKino, Tickets.
    Innsbruck: Leokino, Reservierung.
    Wels: Programmkino Wels, Tickets.
    Klagenfurt: Neues Alternatives Volkskino, Tickets.
    Bozen: Filmclub Bozen (ab 4.4.24), Reservierung.
    Dornbirn: Filmkulturclub Dornbirn (ab 15.5.24), Reservierung.

  • Jetzt im Kino in Liechtenstein

    Schaan: Skino 1, Tickets.

  • Am FILMFEST 2023 in Prag

    Im Oktober präsentiert das Festival deutschsprachiger Filme DAS FILMFEST «Ruäch – Eine Reise ins jenische Europa» in Prag. Das Festival stellt jährlich eine feine Auswahl an Filmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz für das Tschechische Publikum zusammen. Produzent Frank Matter wird am Screening anwesend sein:

    Samstag, 21. Oktober, 19:30 Uhr, Kino Atlas, Prag, weitere Informationen.

  • Spezialvorführung in Innsbruck (A)
    «Ruäch – Eine Reise ins jenische Europa» wird am Vorabend des 7. Jenischen Kulturtags 2023 in Innsbruck präsentiert. Es handelt sich um eine Kooperationsveranstaltung von Cinematograph-Filmverleih, Leokino Innsbruck, Initiative Minderheiten Tirol und Verein zur Anerkennung der Jenischen Österreich und Europa:

    Freitag, 29.9.23, 20.00h, Leokino Innsbruck
    In Anwesenheit von Regisseur Andreas Müller.

  • Kinovorpremieren und Spezialvorführungen mit Filmgesprächen

    Schwyz: Freitag, 25. August, 21:00 Uhr, Kino Schwyz. Tickets
    Luzern: Sonntag, 27. August, 11:00 Uhr, Bourbaki 1. Tickets
    Basel: Montag, 28. August, 18:00 Uhr, kult.kino atelier. Tickets
    Chur: Dienstag, 29. August, 19:00 Uhr, Kino Chur AG.
    St. Gallen: Mittwoch, 30. August, 19:30 Uhr, Kinok. (AUSVERKAUFT)
    Zürich: Donnerstag, 31. August, 20:30 Uhr UND 21:00 Uhr, Riffraff 3 und 1.
    Bern: Freitag, 1. September, 20:00 Uhr, Kino Rex. Tickets
    Wattwil: Samstag, 2. September, 20:00 Uhr, Kino Passerelle. Tickets
    Wädenswil: Mittwoch, 6. September, 19:30 Uhr, Cinema Schloss. Tickets
    Winterthur: Freitag, 8. September, 19:45 Uhr, Cameo. Tickets
    Männedorf: Sonntag, 10. September, 11:00 Uhr, Kino Wildenmann. Tickets
    St. Gallen: Sonntag, 10. September, 10:30 Uhr, Kinok. Tickets
    Gelterkinden: Montag, 11. September, 20:15 Uhr, Marabu. Tickets

  • Openair-Events
    «Ruäch – Eine Reise ins jenische Europa» startet am 31. August 2023 in den Schweizer Kinos. Vor der regulären Kinovorpremierentour in Anwesenheit des Filmteams, freuen wir uns auf einige Vorpremieren im Rahmen von Openair-Events diesen Sommer mit spannenden Filmgesprächen und Musik unter freiem Himmel. Detaillierte Angaben und Tickets unter den jeweiligen Links.

    Odeonair: Samstag, 22. Juli, 21:30 Uhr, Brugg. Tickets
    Moonlight Cinema: Mittwoch, 9. August, 21:15 Uhr, Ziegelhofareal Liestal. Tickets
    Xenix Openair: Mittwoch, 16. August, 21:00 Uhr, Zürich. Tickets

  • Vertrag mit Cinematograph Filmverleih (A)
    Der Cinematograph Filmverleih hat «Ruäch – Eine Reise ins jenische Europa» in seinen Katalog aufgenommen und wird den Film in Österreich und Südtirol auswerten. Der Kinostart erfolgt voraussichtlich im Spätherbst 2023. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Tanja Helm und Dietmar Zingl.
  • Mention spéciale am DOK.fest München
    «Ruäch – Eine Reise ins jenische Europa» feierte am 38. DOK.fest München internationale Premiere und wurde mit einer lobenden Erwähnung von der DOK.deutsch-Jury geehrt. Wir danken allen Beteiligten und Unterstützenden für die schönen Filmvorführungen, anregenden Gespräche und emotionsvollen Rückmeldungen.
  • Internationale Premiere am DOK.fest München
    «Ruäch – Eine Reise ins jenische Europa» läuft im renommierten DOK.deutsch-Wettbewerb des 38. DOK.fest München. Folgend die Spielzeiten:

    Donnerstag, 4.5.2023, 20.30 Uhr, Rio 2 (internationale Premiere, in Anwesenheit der Filmemacher)

    Freitag, 5.5.2023, 18.00 Uhr, Gasteig HP8 Projektor (in Anwesenheit der Filmemacher)

    Sonntag, 7.5.2023, 11.00 Uhr, City 3

    Samstag, 13.5.2023, 14.30 Uhr, City 3

  • Weltpremiere am Visions du Réel, Nyon
    «Ruäch – Eine Reise ins jenische Europa» wurde für den nationalen Wettbewerb des Filmfestivals Visions du Réel selektioniert und feiert in Nyon Weltpremiere. Verschiedene Crewmitglieder und Protagonist*innen nehmen an den Screenings teil, ausserdem veranstalten wir ein Rahmenprogramm zum Film. Die Screenings finden statt:

    Samstag, 22.4.23, 20.15h, Usine à Gaz 2
    Donnerstag, 27.4.23, 10.30h, Grand Salle

    Tickets via Webseite des Festivals.

    «Meet the protagonists» – Apéro mit den Mitwirkenden und dem Filmteam:
    Samstag, 22.4.23, ab 19.00h – im Hof der Usine à Gaz,Rue César Soulié 1, Nyon

    Internationales Panel zum Thema «Jenisches Leben heute» mit Jenischen und Aktivistinnen aus Frankreich, der Schweiz und Österreich:
    Sonntag, 23.4.2023, 12.00h, Théâtre de Marens (Route du Stand 5, Nyon)

    Wie lebt es sich als Jenische im heutigen Europa? Wo kann sich die jenische Kultur entfalten? Welches sind Hindernisse und welches die Möglichkeiten? Welche Räume stehen den Jenischen offen, welche bleiben verschlossen?

    Mit:
    Maria Dufermont, Jenische und Protagonistin im Film «Ruäch», Annemasse (F)
    Isabelle Gross, Jenische, Aktivistin und Protagonistin im Film «Ruäch», Annemasse (F)
    Isabella Huser, Jenische und Schriftstellerin, Zürich (CH)
    Heidi Schleich, Autorin, Sprachwissenschaftlerin und Aktivistin, Innsbruck (A)
    Simone Schönett, Jenische, Schriftstellerin und Aktivistin, Villach (A)
    Uschi Waser, Jenische und Präsidentin der Stiftung «Naschet Jenische» (CH)

    Moderation: Marcel Bächtiger

Trailer


Menschen

Ein Film von

Andreas Müller, Simon Guy Fässler, Marcel Bächtiger

Eine soap factory & 8horses Produktion
in Koproduktion mit SRF Schweizer Radio und Fernsehen, SRG SSR

Produziert von

Frank Matter & Simon Guy Fässler

Regie

Andreas Müller

Ko-Regie

Simon Guy Fässler

Schnitt

Marcel Bächtiger

Kamera

Simon Guy Fässler SCS

Ton

Andreas Müller

Produktionskoordination

Loredana-Nastassja Fernández

Redaktion SRF

Urs Augstburger

Nationale Koordination SRG SSR

Sven Wälti

Video Postproduktion

8horses

Soundmix & -design

Patrick Becker & Dominik Avenwedde, Nurton

Abspanndesign

Studio Krispin Heé

Poster Artwork

Alberto Vieceli

Webseite

Klaus Affolter, bytes & bones

Zusätzliche Kamera

Andreas Müller, Lionel Rupp, Mika Lanz, Silvan Hillmann

Lichtbestimmung

Simon Guy Fässler, Roger Somm, Patrischa Freuler

Postproduktion-Assistenz

Michael Hess

Schnitt-Assistenz

Fabienne Koch, Vicky Ramsay, Hae-Sup Sin

VFX

emd3000 GmbH,
Eugen Danzinger

Trailer

Gisela Weibel

Produziert mit der finanziellen Unterstützung von

Bundesamt für Kultur (BAK), Schweiz
Kulturförderung Kanton St.Gallen
Fachausschuss Film und Medienkunst BS/BL
Zürcher Filmstiftung
Kulturfonds SUISSIMAGE
Media Desk Suisse
Ernst Göhner Stiftung
Heinz E. Toggenburger, Winterthur
Stadt St.Gallen
Jubiläumsstiftung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft
Alexis Victor Thalberg Stiftung
SWISSLOS/Kulturförderung, Kanton Graubünden
Katholische Kirche im Kanton Zürich
Ortsbürgergemeinde St.Gallen
Gemeinde Küsnacht ZH

Andreas Müller

Geboren 1975 in Winterthur. 2002 schloss er sein Regiestudium an der ZHdK mit Auszeichnung ab. Sein Diplomfilm «Joshua»(2002) gewann zahlreiche internationale Preise und war nominiert für den Schweizer Filmpreis wie auch den European Short Mélies d’Or. 2004 begann er sich intensiv mit dem historischen Fall der Klara Wendel zu beschäftigen und mit der Geschichte und der heutigen Lebensrealität der Jenischen. Daraus entwickelte sich u. a. «Ruäch» (2023). 2012 gründete er im Kollektiv mit 5 Künstler:innen den Cine-Club Perla-Mode, der im März 2014 den Regisseur des legendären Films «Reisender Krieger»(1981) einlud. Aus dem Gespräch, das Müller mit ihm im Cine-Club führte, entstand das Kino-Portrait «Christian Schocher, Filmemacher»(2015) in Ko-Regie mit Marcel Bächtiger. In Arbeit sind das Spielfilmprojekt «Die Wahrheit der Klara Wendel», produziert von Amka Films, sowie das Fast-Track-Gewinner Projekt «Doppelgänger»(Doc./Fic.), das er im Kollektiv mit Silvan Hillmann und Emanuel Signer realisiert.

Simon Guy Fässler

Simon Guy Fässler arbeitet als freischaffender Kameramann für Spiel- und Dokumentarfilme in Europa und weltweit. Als Gründungsmitglied des Filmentwicklungs- und Produktionskollektivs 8horses in Zürich führt er Regie und produziert eigene und fremde Filmprojekte. Für Dokumentarfilme hat er alle Kontinente bereist und dabei Einblicke in viele Kulturen erhalten. Spielfilmprojekte haben ihn in europäische Länder wie Italien, Deutschland, Frankreich, England und Österreich geführt. Seit seinem Abschluss an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, wo er in den Klassen von Wim Wenders und Fatih Akin Visuelle Kommunikation studierte, befindet sich seine Basis in Zürich. Mit der Kameraarbeit für den Spielfilm «Aloys» von Tobias Nölle wurde er im Wettbewerb für die beste Debütkamera am Camerimage Festival nominiert – und gewann 2017 den Schweizer Filmpreis für die beste Kameraarbeit. Simon Guy Fässler ist Mitglied der Europäischen- und der Schweizerischen Filmakademie sowie der Swiss CinematographerSociety. Eine vollständige Liste der Arbeiten von Simon Guy Fässler findet sich auf den entsprechenden Seiten auf IMDB oder Crew United.

Marcel Bächtiger

Geboren 1976 in St.Gallen. 2002 Architekturdiplom an der ETH Zürich. 2017 Dissertation am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta), ETH Zürich. Arbeitet, forscht und publiziert an der Schnittstelle von Film und Architektur. Autor, Regisseur und Editor verschiedener Dokumentarfilme. Seit 2014 Dozent des Wahlfachs «Raumkonzepte in Film und Architektur», ETH Zürich, seit 2019 Dozent an der HSLU. Seit 2015 Redaktor der Zeitschrift Hochparterre. 2018 Kurator des «Salon Suisse» an der Architekturbiennale Venedig.

Frank Matter

Geboren 1964 in Sissach/BL. Arbeitet seit 1991 als freischaffender Autor, Regisseur und Produzent. Ab 1993 in New York, wo er in verschiedensten Funktionen auf Filmsets tätig war und zwei eigene Indie-Spielfilme drehte. Seit 2006 wieder in der Schweiz. Seither Produzent und Regisseur zahlreicher preisgekrönter Dokumentarfilme. Inhaber der Produktionsfirma soap factory GmbH mit Sitz in Basel (soapfactory.ch).

Hintergrund

Die Jenischen sind eine Gruppe von Menschen mit eigener Sprache, Kultur und Geschichte. Sie sind Angehörige oder Nachfahren einer Bevölkerungsgruppe mit traditionell reisender, in der Mehrzahl wohl semi-nomadischer Lebensweise. Sie leben hauptsächlich in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich und Österreich, aber auch in anderen Weltgegenden. Ihre Gesamtzahl wird auf mehrere Hunderttausend geschätzt, allein in der Schweiz sind es rund 35‘000. Die französische Schreibweise ist Yéniche, die englische Yenish; sie werden teilweise bis heute Gens de Voyage oder Traveler genannt. In Österreich nennt man die Jenischen auch Karrner, Dörcher oder Laninger, in der Zentralschweiz Fecker, in der Ostschweiz Kessler oder Spengler. Jenisch ist die Selbstbezeichnung.

 

Die Sprache

Wesentliches gemeinsames Merkmal der Jenischen ist die Sprache. Linguistisch handelt es sich um ein Idiom, dessen Struktur auf der Sprache der Mehrheitsgesellschaft beruht, mit Wörtern aus dem Romanés, Jiddischen und aus romanischen Sprachen. Grosse Teile der Wörter entstanden aus einem kreativen Spiel mit Wörtern der umgebenden Sprache. Das jenische Wortgut fand teilweise Eingang in Dialekte und sogar in die Standardsprachen. Häufig wird Jenisch mit Rotwelsch verglichen oder gleichgesetzt, wobei Rotwelsch vermutlich nur eine behördliche «Erfindung» ist und nie als Sprache existierte. Seit 1997 wird das Jenische in der Schweiz als territorial nicht gebundene Sprache geschützt und gefördert.

Berufe

Von vielen Jenischen betriebene Berufe sind traditionellerweise der Wander- und Hausierhandel, der Schrott- und der Antiquitätenhandel, Recycling allgemein, das Korbergewerbe, das Richten von Herdplatten und Pfannen oder die Messer- und Scherenschleiferei und das Musikantengewerbe. Unterdessen finden sich aber in allen Berufen jenische Menschen.

Reisende Lebensweise

Ein wichtiger Bestandteil der Jenischen Kultur ist die reisende Lebensweise. Dabei ist das Thema vielschichtig und umstritten. Die Geschichte der Fahrenden ist seit Beginn eine Geschichte der Ausgrenzung. Im späten Mittelalter wurden die Nichtsesshaften von der Aristokratie ausgegrenzt. Diese bekämpfte den Nomadismus, weil ihr die Unkontrollierbarkeit ein Dorn im Auge war – die Nomaden galten als besonders freiheitsliebend.
Aufschlussreich ist das Schicksal der Jenischen in der Schweiz. Im 18. Jahrhundert wurden die Nichtsesshaften in «Gaunerlisten» erfasst. Im 19. Jahrhundert, im Zuge der Gründung der Nationalstaaten und den damit verbundenen Grenzziehungen, war in der Schweiz die Niederlassung neu unabdingbar an den Besitz eines Heimatscheines geknüpft, womit die behördliche Kriminalisierung der nicht sesshaften Lebensweise Einzug hielt: Die Kantone stellten neuerdings Polizeikorps auf, deren Hauptaufgabe die Abwehr «fremden Bettelgesindels» war. Während sich in der Schweiz von Kanton zu Kanton die Rechtsprechung änderte, wurden bei «Betteljagden» die Heimatlosen von Landjägern aufgegriffen und über die Kantonsgrenzen gestellt. Es gab aber auch viele sesshafte Jenische, deren Heimatbescheinigung von ihren Gemeinden nicht erneuert wurde und die als Folge dessen zu Fahrenden wurden. Andere wiederum wurden unter dem gesellschaftlichen Druck sesshaft, so auch Familien von bekannten Musikanten wie die Wasers und Kolleggers. Zweischneidig war 1851 im jungen Schweizer Bundesstaat das Gesetz gegen die Heimatlosigkeit. Alle Jenischen erhielten zwar das Schweizer Bürgerrecht, sie wurden aber auch zwangsweise einem Bürgerort zugewiesen, und die reisende Lebensweise wurde unter Strafe gestellt. Es handelte sich also auch um eine Umerziehungs- und Disziplinierungsmassnahme. Viele machten sich sesshaft, um nicht aufzufallen und ihre Tätigkeiten weiter ausüben zu können. Oft erforderten die Tätigkeiten aber wiederum, reisend unterwegs zu sein. So wurden viele Jenische gezwungen, sich in einer Grauzone am Rande der Legalität zu bewegen.

Verfolgung und Diskriminierung

Im 20. Jahrhundert nahmen Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung zu. In der Schweiz wurden jenische Familien ab den 1920er Jahren bis in die frühen 1970er Jahre vom «Hilfswerk Kinder der Landstrasse» , das zur Stiftung Pro Juventute gehörte, verfolgt. Das von Dr. Alfred Siegfried geleitete «Hilfswerk» verfolgte das Ziel, jenische Kinder von ihrer Herkunft abzuschneiden. Mit Billigung des Staates wurden über 600 Kinder ihren Familien entrissen und in Heimen oder Pflegefamilien untergebracht. Alles Jenische sollte getilgt werden. Geschwister wurden voneinander getrennt in Heime gegeben oder in fremde Familien platziert, Jugendliche in Anstalten gesperrt. Es sind Vergewaltigungen, Zwangsweinweisungen in die Psychiatrie und Sterilisierungen dokumentiert. Ganze Familien, von den Grosseltern bis zu den heutigen Nachfahren, wurden traumatisiert. Fast jede jenische Familie weiss von Kindswegnahmen zu berichten. 1972 berichtete der Journalist Hans Caprez im «Schweizerischen Beobachter» über die Kindswegnahmen und das menschenverachtende Vorgehen des «Hilfswerks». Öffentlicher Druck veranlasste die Pro Juventute in der Folge, das «Hilfswerk» im Frühjahr 1973 aufzulösen. Eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen des Projekts gab es nicht.
Viel zu wenig im kollektiven Bewusstsein verankert sind die Verfolgungen der Jenischen im Holocaust. Sie wurden wie die Juden, Sinti und Roma verfolgt und in Konzentrationslager verschleppt, in Todeslagern umgebracht. Es sind Bestrebungen im Gang, eine diesbezügliche Erinnerungskultur zu etablieren.

Kampf um Anerkennung, Vereine und Organisationen

Als Folge der Aufdeckung der vom «Hilfswerk Kinder der Landstrasse» begangenen Verbrechen formierte sich in der Schweiz die jenische Organisation «Radgenossenschaft der Landstrasse», die in der Aufarbeitung eine wichtige Rolle spielte. Als ihr Sprachrohr trat die kürzlich verstorbene Schriftstellerin und Jenische Mariella Mehr auf, die wortgewaltig an die Behörden trat und Entschuldigung und Wiedergutmachung einforderte. Die «Radgenossenschaft der Landstrasse» gibt eine eigene Zeitschrift, das «Scharotl», heraus.
Weitere Organisationen treten an die Öffentlichkeit und engagieren sich für die Anerkennung der Jenischen als Volk mit den Rechten einer ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheit. In der Deutschschweiz sind das die Stiftung «Naschet Jenische», das «Fahrende Zigeuner-Kulturzentrum» und der «Verein Bewegung der Schweizer Reisenden (BSR-MVS)», in der Romandie die «Association Jenisch-Manouches-Sinti (JMS)», die «Association Yenisch Suisse» und die «Citoyens Nomades». Albert Barras tritt als Pressesprecher des fahrenden Volks für die Romandie auf. Und May Bittel ist schon lange als Experte für das Fahrende Volk im Europarat vertreten. In der Schweiz sind die Jenischen seit 1997, respektive 2016 als nationale Minderheit anerkannt.

Mit Verweis auf die Schweiz kämpfen auch die Jenischen in Deutschland und Österreich für ihre Anerkennung. Im 21. Jahrhundert sind verschiedene Organisationen der Jenischen entstanden, so der «Zentralrat der Jenischen Deutschlands», der «Verein der Jenischen in Singen», «Der Jenische Kulturverband» und der «Verein zur Anerkennung der Jenischen in Österreich und Europa». In Österreich war Romed Mungenast ein wichtiger Pionier. Der jenische Verein «schäft qwant» agiert als transnationaler Verein für jenische Zusammenarbeit und Kulturaustausch. Im Tirol setzt sich der Verein «Initiative Minderheiten Tirol» auch für die Sichtbarmachung der jenischen Kultur und Lebensweise ein.

Jenische, Sinti und Roma

Die Jenischen, Sinti und Roma werden oft in einem Atemzug genannt, ihre Kulturen unterscheiden sich jedoch klar. Der Ursprung der Sinti und Roma wird in Nordindien beziehungsweise dem heutigen Pakistan vermutet. Ihre Sprachen, das Romanes und das Manische, entstammen dem altindischen Sanskrit. Die Jenischen hingegen sind Hiesige: die jenischen Familien in der Schweiz sind in der Regel schweizerischen Urspungs, jenische Familien in Deutschland stammen aus deutschen Gegenden etc. Die Sinti sind nach dem Mittelalter nach Europa gelangt, wo sie mit den Jenischen in Kontakt kamen. Nicht selten haben sich Jenische und Sinti-Familien verbunden. Der Überbegriff «Fahrende» für Jenische, Sinti und Roma wurde eingeführt, um das von vielen als diskriminierend empfundene Wort «Zigeuner» zu ersetzen (wobei viele Jenische das Wort «Zigeuner» auch als Selbstbezeichnung verwenden). Der Begriff «Fahrende» ist allerdings irreführend, da der Grossteil sesshaft ist. Es ist deshalb sinnvoll und entspricht den Vorgaben des europäischen Minderheitenschutz-Abkommens, die verschiedenen ethnischen Gruppen so zu bezeichnen, wie sie sich selber nennen: als Jenische, Sinti und Roma.

Zusammengestellt und zitiert aus thata.ch, jenisch.info, einem Artikel-Ausschnitt von Stefan Künzli «Jenische in der Schweiz», Brigitte Baur «Erzählen vor Gericht» und de.wikipedia. org/wiki/Jenische.

 

«Ein wunderbarer Dokumentarfilm (…) ein strahlendes Meisterwerk (…) Andreas Müller und Simon Guy Fässler haben keinen Film über Jenische machen wollen, sondern mit ihnen. Und das ist ihnen gelungen, unter anderem, weil sie ohne Zeitdruck und These um echte Begegnungen bemüht waren. (…) Der Film vergeht mit seinen zwei Stunden wie im Flug. Sieben Jahre Begegnungen, Neugier, Vorsicht und schliesslich Vertrauen auf beiden Seiten hat Marcel Bächtiger im Schnitt zu einem dichten Geflecht von Informationen, Hoch- und Tiefpunkten verwoben. Das ist ein Film von drei Freunden in Zusammenarbeit mit vielen neuen Freundinnen und Freunden. Das strahlt von der Leinwand.»

Michael Sennhauser, Sennhausers Filmblog

«Wie leben jenische Menschen? Der Dokumentarfilm «Ruäch» liefert keine einfache oder stereotype Antwort auf diese Frage, sondern eröffnet Einblicke. (…) Den Autoren gelingt es, hier herauszuarbeiten, was mit Worten allein unsagbar bliebe. Menschen, die der Film mir nahegebracht hat, haben die Akte der Zerstörung – in der Nachkriegszeit, bis in die 1970er-Jahre hinein – am eigenen Leib erlebt. Sie sind damit bis heute allein geblieben. Ihr Schmerz und das Geschehen sind nie ins gesellschaftliche Bewusstsein eingegangen. Mit «Ruäch», einem schönen und wichtigen Film, wird diese Leerstelle offengelegt.»

Isabella Huser, Schriftstellerin

«Da haben sie gemeinsam, fast wie im Märchen, sieben Jahre lang daran gearbeitet, Menschen zu Wort kommen zu lassen, deren Leben nicht wie im Märchen verlief. – Erschreckend sehenswert.»

Franz Hohler

«Das Resultat ist ein faszinierend mehrschichtiges Porträt von Jenischen in der Schweiz, Frankreich und in Österreich, in dem der Schmerz über die Verfolgung spürbar wird, aber auch die Schönheit einer Lebensweise, die nicht von Bürostunden bestimmt ist.»

Pascal Blum, Tages-Anzeiger

«Der atmosphärische, kluge Film lässt sich und den Porträtierten Zeit. Er ist voller Aufnahmen von verblüffender Schönheit und Intimität.»

Susanne Leuenberger, Berner Kulturagenda

«Ruäch ist eine absolut bewegende Dokumentation, die die Jenischen konsequent selbst zu Wort kommen lässt und so überraschende Einblicke in ihren Alltag und die anhaltende Diskriminierung ermöglicht.»

Aram Mattioli, Historiker Universität Luzern

«Andreas Müller, Simon Guy Fässler und Marcel Bächtiger lassen in ihrem beeindruckenden Dokumentarfilm «Ruäch – Eine Reise ins jenische Europa» in die Welt eines Volkes eintauchen, das am Rand der Mehrheitsgesellschaft lebt.»

Walter Gasperi, film-netz.com

«Eine spannende Expedition in bislang wenig beleuchtetes Terrain.»

WOZ

«Eine filmische Reise, die jeder romantisierenden Verklärung entbehrt.»

PS

«Eine vielschichtige Annäherung an eine gesellschaftliche Minderheit im Herzen des Kontinents.»

SURPRISE Strassenmagazin

«RUÄCH von Andreas Müller, Simon Guy Fässler und Marcel Bächtiger ist eine packende Reise in eine unbekannte Welt, die viel zu lange ein Schattendasein hat fristen müssen.»

Natalie Fritz, medientipp.ch

«Ein magischer Trip durch das jenische Europa.»

Doris Senn, CLICK CINEMA, arttv.ch

«Ruäch hat mich tief berührt, ich spürte die lange Zeit die ihr miteinander verbracht habt. Eine Geschichte voller Neugierde, Empathie, Respekt und mit einem wunderschönen Augenzwinkern sich selbst gegenüber. Ich habe euch alle ins Herz geschlossen.»

Andrea Štaka, Filmemacherin

«Der Film ist unterhaltsam, es ist eine Art Roadmovie und eine «Kulturreise» mit aufrichtigem Interesse für eine Minderheit in politischer, aber auch sozialer Hinsicht.»

Willi Wottreng, Autor, Journalist, Geschäftsführer der Radgenossenschaft

«Ein meisterhaftes Roadmovie zu einem weithin unbekannten Volk, das durch seine Stärke und freie Lebenseinstellung beeindruckt.»

Ysabel Fantou, DOK.fest München

«Bisher ist nur wenig bekannt und überliefert über die Jenischen in Europa, denn sie behandeln ihre Lebensweise als gut behütetes Geheimnis. Über mehrere Jahre haben zwei Filmemacher mit Jenischen vertrauensvolle Beziehungen aufgebaut und durften sie begleiten und seltene Einblicke in deren Leben erhaschen. (…) Die Menschen erzählen intime Details ihrer eigenen Vergangenheit und lassen das Publikum teilhaben an den Sorgen der Gegenwart. Es entsteht eine authentische, einfühlsame Dokumentation über einen Teil unserer Gesellschaft.»

Yannick Bracher, outnow.ch

«Andreas Müller, Simon Guy Fässler und Marcel Bächtiger gelingt ein eindrucksvolles dokumentarisches Road Movie, das einen durch die Geschichten der verschiedenen Protagonist:innen führt. Der Film bietet Jenischen eine Plattform und trägt zur Aufarbeitung der Geschichte bei.»

Karolina Sarre, Filmbulletin

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